2012 habe ich mich selbstständig gemacht, nachdem ich zuvor 5 Jahre als angestellter Architekt gearbeitet habe. Der Grund für meinen Schritt in die Selbstständigkeit ist schnell erklärt: Ich sah darin den einzigen Weg zu einem selbstbestimmteren und ortungebundeneren Arbeiten. Ich wollte mir meinen Job einfach selbst bauen, so wie ich ihn mir wünsche. Nicht an ein miefiges Büro mit Neonröhren gefesselt sein und an der Kaffeemaschine darüber jammern, dass ja schon wieder Montag sei.
Ortsunabhängig arbeiten, selbstbestimmt und mit einer großen Portion intrinsischer Motivation im Gepäck. Das war mein Ziel. Das ist mir gelungen.
Seit 2013 arbeite ich immer dann, wann ich es möchte, und zwar an was ich möchte und mit wem ich möchte. Anfänglich als Outsourcing-Dientleister für Architektur-Zeichnungen. Heute mit verschiedenen Dingen, unter anderem der Citizen Circle Community.
Seit 2015 bin ich einer der Betreiber dieser Community und Plattform, auf der sich Menschen austauschen können, die ähnliche Ziele wie ich verfolgen oder diese bereits erreicht haben. Gemeinsam mit meinen Mitgründern habe ich ein tolles Team. Ein Büro haben wir nie gehabt und nie gebraucht. Vielleicht ab nächstes Jahr mal. Just for fun und zum Ausprobieren, wie es sich so anfühlt.
Durch unsere Community kenne ich natürlich auch viele andere Unternehmer*innen, die ganz ähnliches oder noch mehr erreicht haben. Auch in Deutschland gibt es sie nämlich schon: Unternehmen, die 20, 30 oder sogar 50 feste Mitarbeiter haben und gänzlich ohne Büro auskommen. 2012, als ich gestartet bin, noch undenkbar. New Work ist also für einige Menschen Realität, oft ohne das sie jemals Kontakt mit diesen zwei Wörtern hatten. Ihre Unternehmen haben das neue Arbeiten in ihrer DNA, aber sprechen kaum darüber.
Man könnte sagen, wir Remote Unternehmer und unsere Teams sind die Versinnbildlichung von dem ursprünglichen Verständnis von New Work. Entstanden aus dem inneren Antrieb nach Veränderung und dem Wunsch, unsere Arbeit besser zu gestalten. Nicht aus ökonomischen Gründen, oder weil es aktuell „der heiße Scheiss“ ist, sich einen Coworking Space mit Hängematten ins Büro zu bauen. Ganz ohne ein Label. Ohne, dass uns Menschen gesagt haben, wie es geht. Wir haben es einfach gemacht, weil wir es wollten und es sich gut angefühlt hat.
Ich verstehe das menschliche Bedürfnis, Dinge, nachdem sie entstanden sind, rückwärts zu erklären, zu rechtferigen und Systeme dafür zu bauen. Das beobachtet man in vielen Bereichen und manchmal macht es auch Sinn. Beispiel: Jemand verkauft seine Produkte erfolgreich am Telefon. Danach macht er aus seiner Herangehendweise an System, klebt ein Label drauf und verkauft dieses an alle, die seinen Erfolg kopieren möchten. Geboren ist der ultimative Leitfaden für Telefonakquise, welcher nunmehr durch sämtliche Branchen wandert, ohne dass er jemals wieder hinterfragt wird.
Aber beim Label New Work sind wir zu weit gegangen. Es fehlt oft gänzlich der intrinsische Ansatz, das Denken vom Schmerzpunkt her.
Warum soll es überhaupt eine Veränderung geben? Weil es 2019 dazu gehört, „New Work zu machen“? Das darf doch nicht der Grund sein. Das ganze Thema verkommt zur Mode.
Sicher gibt es Ansätze aus der Themenwolke des neuen Arbeitens, die auch bei klassisch und in Bürostrukturen gewachsenen Unternehmen gute Dinge bewirken können. Um beim Thema des ortsunabhängigen Arbeitens (Remote Work) zu bleiben: Unternehmen im ländlichen Raum, die mit dem Fachkräftemangel zu kämpfen haben, können mit ortsunabhängigen Arbeitsplätzen sicher wieder richtig gute Mitarbeiter anlocken. Oft bedarf es ja nur einer gewissen örtlichen Flexibilität, einer vom Unternehmen gesponserten Bahncard 100 und ein wenig Community, und schon kommt der Mitarbeiter gerne regelmäßig vorbei und arbeitet den Rest der Zeit von seiner Wahlheimat aus.
Am Ende ist alles, was unter New Work fällt aber vor allem eine Umstellung der Arbeitgewohnheiten, eine Veränderung des Mindsets. Es erfordert keine Beratung, ob man nun Google oder Microsoft Cloud Tools einsetzt. Es erfordert einen von innen kommenden Antrieb zur Veränderung. EIne intrinsische Motivation. Die Buchung von New Work Beratungen erscheint aus meiner Perspektive oft aber vielmehr als Aktionismus, der durch die Unternehmen wandert, weil man dieses Neue Arbeiten eben jetzt auch braucht. Es kommt nicht von innen.
Wer langfristig ein Umdenken im eigenen Unternehmen erzeugen will, braucht ein neues Rekruiting. Er muss Menschen einstellen, die diese intrinsische Motivation mitbringen und muss Angebote machen, damit diese Menschen eine Anstellung überhaupt in Erwägung ziehen, und sich nicht (so wie ich damals 2012) für die Selbstständigkeit entscheiden, weil sie alternativlos sind, wenn sie anders arbeiten möchten.
Ob man Google oder Microsoft zur Kollaboration nutzt, ob man einen schicken Coworking Space im Bürogebäude hat oder nicht, und ob man agile Arbeitsmethoden implementiert hat, hat damit nur bedingt was zu tun. Manch ein Unternehmen ist sicher besser beraten, auf die New Work Berater oder gleich komplett auf New Work zu verzichten, und sich lieber Menschen ins Team zu holen, die Neues Arbeiten leben wollen, und dann das Unternehmen langsam von innen verändern. Angetrieben von ihrer intrinsischen Motivation. Somit ist auch sichergestellt, dass die Veränderunegen einen Sinn verfolgen, der Abseits von Modeerscheinungen und Labels liegt.